Rezession und AI: Was die Aktienmärkte aktuell treibt

Die globale Wirtschaftsaktivität nimmt weiter ab, die altbekannten Belastungsfaktoren aus hoher Inflation, hohen Zinsen, Kaufkraftverlust und global abnehmender Nachfrage fordern ihren Tribut. Lesen Sie unter anderem, warum es den Aktienmärkten dennoch gelang, seit Jahresanfang eine positive Performance zu erzielen und erfahren Sie mehr über das Potenzial, aber auch die Risiken, die uns mit den Durchbrüchen im technologischen Bereich bevorstehen.

Der BTV Anlagekompass ist die wichtigste und ausführlichste Publikation der BTV zu den Kapitalmärkten. Hier erfahren Sie mehr über unsere Sicht zu Konjunktur, Märkten, Geldpolitik oder einzelnen Anlageklassen.

Konjunktur Deutschland: Nur eine technische Rezession?

Eine technische Rezession kann nach zwei Quartalen überwunden sein, wenn sich das Wirtschaftswachstum wieder erholt. Im Falle Deutschlands legen verschiedene Konjunkturindikatoren aber nahe, dass eine etwas längere Durststrecke vor der größten Volkswirtschaft der Eurozone liegen könnte.

  • Erholung im 2. Quartal?

    Nachdem das Statistische Bundesamt das Wirtschaftswachstum im 1. Quartal nach unten revidiert hat, befindet sich Deutschland aktuell in einer sogenannten technischen Rezession. Das ist erstmal noch nicht besorgniserregend, da es sich hierbei lediglich um eine Definition handelt. Ist das Wirtschaftswachstum von zwei aufeinanderfolgenden Quartalen jeweils gegenüber dem Vorquartal negativ, handelt es sich um eine technische Rezession. Wäre das 2. Quartal nun positiv, was angesichts der Entlastung seitens der Energiepreise nicht überraschend käme, wäre es damit auch schon wieder vorbei. Doch verschiedene Konjunkturindikatoren deuten darauf hin, dass Deutschland noch eine Weile zu kämpfen hat, um sich von der Wirtschaftsschwäche zu erholen.

     

    Deutschland in der technischen Rezession

    Quellen: Bloomberg, BTV; Stand 07.06.2023.

  • Industrieproduktion mehrfach belastet

    Vor allem die deutsche Industrieproduktion, der wichtigste Wirtschaftszweig, leidet aktuell unter mehreren Belastungsfaktoren. Zum einen erholte sich China, ein wichtiger Exportmarkt für die deutsche Wirtschaft, nicht in dem Ausmaß, wie es nach Aufhebung der Corona-Beschränkungen erwartet worden war. Überhaupt ist die globale Wirtschaftsdynamik schon seit Monaten abnehmend, was die exportlastige deutsche Industrie hemmt. Da unterbrochene Lieferketten über zwei Jahre dazu geführt haben, dass Aufträge nicht abgearbeitet werden konnten, waren die Auftragsbücher voll, wovon Industrieunternehmen lange profitiert haben. Diese Aufträge sind nun aber abgearbeitet – und die zukünftigen Aufträge können nicht überzeugen. Nicht zuletzt auch deshalb, weil Notenbanken rund um den Globus drastische Zinsanhebungen durchgeführt haben, was fremdfinanzierte Investitionen teurer macht. Im 1. Quartal waren die Investitionen nichtsdestotrotz aber noch zufriedenstellend, was vor allem in der Baubranche, die besonders von den hohen Zinsen betroffen ist, überraschend kam. Hier dürfte aber der Sondereffekt Wetter eine maßgebliche Rolle gespielt haben, da die Temperaturen um knapp 2,5 Grad über den Durchschnittswerten lagen und viele Firmen wohl das gute Wetter ausgenutzt haben. Wenig überraschend eingebrochen sind im 1. Quartal hingegen die neuen Wohnbaukredite mit über 50 % weniger Vergaben als im Vorjahr.

  • Kaufkraftverlust hemmt den Konsum

    Neben der Industrieproduktion wird aber auch der Konsum belastet, wie sich an den Einzelhandelsumsätzen zeigt. Hier ist es vor allem die hohe Inflation, die die Kaufkraft der Konsument*innen mindert und sie ihre Ausgaben reduzieren lässt. Außerdem sind in Deutschland verschiedene fiskalpolitische Maßnahmen, die beispielsweise als Unterstützung angesichts der hohen Energiekosten eingerichtet wurden, inzwischen ausgelaufen. Konsumiert dürfte aber dennoch weiterhin werden – hauptsächlich im Dienstleistungssektor. Der Einkaufsmanagerindex (PMI) ist nach wie vor stark und spricht für eine anhaltend hohe Nachfrage in den kommenden Monaten. Für die Industrie werden aber auch hier keine guten Zeiten in Aussicht gestellt, der PMI ist hier bereits vier Monate in Folge gefallen und befindet sich aktuell deutlich unter der 50-Punkte-Wachstumsschwelle.

     

    Ausblick für den Dienstleistungssektor deutlich besser als für die Industrie

    Quelle: Bloomberg; Stand 07.06.2023.

  • EZB legt nochmal nach

    Der Hauptbelastungsfaktor für die Industrie wird in den kommenden Monaten von der Zinsseite kommen. Es werden noch zwei weitere Zinsschritte seitens der EZB bis Jahresende erwartet, womit der Leitzins bei 4,5 % zu liegen kommen würde. Glaubt man den historischen Daten, vergehen im Schnitt fünf Quartale von der 1. Zinserhöhung bis zur Rezession, da sich negative Effekte auf die Wirtschaft erst nach und nach durchschlagen. Nachdem die EZB ihren ersten Zinsschritt im Juli 2022 durchgeführt hat, ist eine Rezession in Deutschland im 2. Halbjahr möglich.

     

    Was als zusätzlicher Belastungsfaktor im 2. Halbjahr hinzukommen könnte, ist eine Rezession bzw. eine weitere Wirtschaftsabschwächung in den USA. Dieser Wirtschaftsraum ist ein wichtiger Handelspartner Deutschlands, fast 10 % aller deutschen Exporte gehen dorthin. Hingegen sollte der starke Arbeitsmarkt, auch wenn dies die Unternehmen durch höhere Lohnkosten belastet, den Konsum im 2. Halbjahr wieder anziehen lassen. Allerdings nur unter der Voraussetzung, dass die Inflation weiter sinkt und sich damit das verfügbare Einkommen wieder erholt. Da das Verbrauchervertrauen, wie beispielsweise vom GfK-Institut ermittelt, aber nahe seinem historischen Tief liegt (siehe Grafik), dürfte dies die deutsche Wirtschaft zwar stabilisieren, aber nicht deutlich anschieben.

     

    Deutschlands Verbrauchervertrauen nahe historischen Tiefs

    Quelle: Bloomberg; Stand 07.06.2023.

  • Wirtschaftsschwäche, aber keine tiefe Rezession

    Eine tiefe Rezession sehen wir in der BTV aber nicht. Neben dem starken Arbeitsmarkt, der den Konsum stützt, sollten dies die soliden Bilanzen der Unternehmen verhindern. Einer Statistik der deutschen Bundesbank zufolge haben deutsche Unternehmen beispielsweise ihre durchschnittlichen Eigenkapitalquoten in den vergangenen 20 Jahren im Schnitt von rund 20 % auf 30 % erhöht. Zudem sollten angesichts des Fachkräftemangels auch im Falle einer Rezession kaum Arbeitskräfte entlassen werden. In einer Umfrage gaben 35 % der Firmen in der Industrie an, dass die Produktion durch zu wenig Arbeiter*innen eingeschränkt wird. Eine Durststrecke steht Deutschland aber noch bevor, selbst wenn die technische Rezession nach einem positiven Wachstum im 2. Quartal vorerst beendet ist.

Aktien: Comeback des Technologiesektors

2022 wurden Technologiewerte aufgrund der starken Zinsanstiege massiv abgestraft. In diesem Jahr sieht die Welt allerdings ganz anders aus. Der Hype um künstliche Intelligenz lässt vor allem die Aktien von Unternehmen, die in diesem Bereich tätig sind, massiv ansteigen. Und davon profitiert der gesamte Technologiesektor. Wie nachhaltig ist dieser Trend?

  • KI-Hype befeuert Tech-Titel

    Die Erwartungen an künstliche Intelligenz sind hoch: Eine intelligente Software, die dem menschlichen Denken nachempfunden ist, soll den Arbeitsalltag erleichtern, repetitive Aufgaben übernehmen und die Bedienung komplexer Programme vereinfachen. Dadurch kann vielen Herausforderungen der heutigen Zeit begegnet werden, wie dem abnehmenden Arbeitskräfteangebot, der älter werdenden Gesellschaft, der Deglobalisierung oder auch den geldpolitischen Straffungsmaßnahmen. Auch wenn mit diesem Fortschritt viele Sorgen verbunden sind, steckt in der künstlichen Intelligenz sehr viel Potenzial, vorausgesetzt, diese wird sinnvoll und verantwortungsbewusst eingesetzt. Und diese Tatsache ist auch dem Finanzmarkt nicht entgangen. Die Aktien von Unternehmen, die stark in die Entwicklung von Sprachmodellen (large language models) eingebunden sind, haben massiv zugelegt. Hierzu zählt zum Beispiel Microsoft (OpenAI) mit GPT, Meta mit LLaMA oder Alphabet mit LaMDA. Aber auch Unternehmen, die in den Produktionsprozess von Halbleitern/Chips involviert sind, profitieren von höherer Nachfrage, da für die Technologie leistungsstarke Prozessoren benötigt werden. Das bekannteste Beispiel ist wohl Nvidia, ein US-Konzern, der als einer der größten Entwickler von Grafikprozessoren und Chipsätzen gilt. Wie in der Grafik ersichtlich, hat sich der Kurs seit Jahresanfang mehr als verdoppelt. Kann das so weitergehen?

     

    Nvidia-Aktie profitiert von KI-Hype

    Quelle: Bloomberg; Stand 09.06.2023.

    Wertentwicklungen der Vergangenheit bieten keine Gewähr für künftige Ereignisse oder Wertentwicklungen. Wenn Finanzinstrumente in fremder Währung notieren, kann infolge von Währungsschwankungen die Rendite steigen oder fallen.Bitte beachten: Bei diesen Informationen handelt es sich um keine individuelle Anlageempfehlung, kein Angebot zur Zeichnung bzw. zum Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten. Bei den genannten Titeln stehen der BTV jedoch ausreichend Informationen zur Verfügung, dass nach Prüfung der individuellen Verhältnisse und Kenntnisse gegebenenfalls eine Empfehlung ausgesprochen werden kann.

     

  • Höhere Chancen, aber auch höhere Risiken

    Die zuletzt rasend schnellen Entwicklungen im Bereich der künstlichen Intelligenz haben Einfluss auf die künftigen Gewinn- und Profitabilitätserwartungen der Unternehmen und damit auch auf deren Bewertung. Dies gilt zwar insbesondere für den Technologiesektor, aber nicht ausschließlich. Vor allem der Industriebereich – und hierbei speziell Unternehmen mit einer hohen Anzahl an Beschäftigten – sollte vom Profitabilitäts-Boost durch künstliche Intelligenz ebenfalls stark profitieren. Die Reichweite und die Wirkungsintensität der neuen Technologie abzuschätzen ist allerdings extrem schwierig, wodurch Unternehmensbewertungen und -prognosen an Komplexität zugelegt haben. Auch in der BTV sehen wir großes Potenzial im Bereich der künstlichen Intelligenz, warnen aber davor, alles auf eine Karte zu setzen. Vor allem Growth-Titel können erfahrungsgemäß trotz langfristig hoher Wachstumserwartungen kurzfristig unter einer schwächeren Wirtschaftsentwicklung sowie höheren Zinsen leiden. Zusätzlich dazu bedeuten hohe Investorenerwartungen auch immer erhöhtes Rückschlagspotenzial, und zwar wenn die eingepreisten Erwartungen nicht erfüllt werden können. Die Bewertungen sind auf Einzeltitelebene bereits stark angestiegen, betrachtet man die größten Profiteure des KI-Hypes. Dennoch sind auch hier nach wie vor keine Extremwerte wie während der Dotcom-Blase in 2000/2001 beobachtbar. Auf Indexebene ist die Bewertung des S&P 500 laut Kurs-Gewinn-Verhältnis um 1 angestiegen, das ist ein überschaubarer Anstieg auf ein Niveau, das nur minimal über dem historischen Durchschnitt liegt (siehe Grafik).

     

    Bewertung des S&P 500 nur leicht über 10-Jahres-Durchschnitt

    Quelle: Bloomberg; Stand 07.06.2023. Wertentwicklungen der Vergangenheit bieten keine Gewähr für künftige Ereignisse oder Wertentwicklungen.

  • Bedeutung für das Portfolio

    Trotz der Tech-Euphorie zeigt sich, dass die Bewertung des breiten Aktienmarktes im Rahmen liegt und die Gewinnerwartungen der Analysten eher tief angesetzt sind. Aktuell wird in den USA sogar mit Gewinnrückgängen und in der Eurozone nur mit minimalen Gewinnanstiegen der Unternehmen gerechnet (siehe Grafik). Mit Ausnahme des Tech-Sektors sind die eingepreisten Erwartungen daher verhalten und es besteht sogar Überraschungspotenzial nach oben. Dies ist bereits gegeben, wenn die Gewinne stagnieren bzw. leicht stärker ansteigen. Nach BTV Einschätzung ist an den globalen Aktienmärkten bis Jahresende noch Potenzial vorhanden, weshalb die strategische Aktiengewichtung in den BTV Asset-Management-Mandaten beibehalten wird. Risiken bestehen allerdings auch weiterhin, hierzu zählen vor allem die Konjunkturabschwächung, eine langanhaltend hohe Inflation sowie weiter steigende Zinsen – und auch geopolitische Belange.

     

    Genau aus diesem Grund setzen wir in der BTV hinsichtlich Regionen- und Sektorenauswahl weiterhin auf eine ausgewogene Portfolioallokation und halten kein Übergewicht im IT-Sektor. Das A und O in der Titelselektion bleibt der Qualitätsfaktor, denn Unternehmen mit einem soliden Geschäftsmodell, einer geringen Verschuldung sowie stabilen Margen und Cashflows haben sich auch in turbulenteren Zeiten bewährt. Das gilt für Unternehmen aus dem Growth- und dem Value-Segment. Neben dem Fokus auf stabile Qualitätsaktien macht eine Reduktion von Schwellenländeraktien sowie kleinkapitalisierten Werten Sinn, um Risiko zu reduzieren. Dies wurde auch in den BTV Asset-Management-Mandaten so umgesetzt. Der Wachstumsvorteil der Schwellenländer ist zuletzt zurückgegangen, da eine schwächere Konjunkturerholung Chinas enttäuscht hat und außerdem höhere US-Zinsen dieses Segment belasten. Kleinkapitalisierte Werte gelten als konjunktursensibler und leiden damit in schwächeren Wachstumsphasen stärker unter höheren Kursrücksetzern.

     

    Analysten erwarten rückläufige/nur sehr geringe Unternehmensgewinne für 2023

    Quelle: Bloomberg; Stand 07.06.2023.

    Bei Prognosen und Schätzungen über die zukünftige Entwicklung handelt es sich lediglich um unverbindliche Werte. Von diesen kann nicht auf die tatsächliche künftige Entwicklung geschlossen werden, weil zukünftige Entwicklungen des Kapitalmarkts nicht im Voraus zu bestimmen sind.

Rohstoffe: Ölangebotskürzungen führen nicht zum Ziel

Erneut haben einige OPEC+-Mitglieder beim letzten Treffen eine Kürzung der Ölproduktion beschlossen. Der Ölpreis reagiert bisher kaum, da Nachfragesorgen im Vordergrund stehen und angesichts der global hohen Inflationsraten der Beschluss mancherorts auf Unverständnis stößt. Die Prebisch-Singer-These kann für etwas Aufklärung sorgen.

  • Nachfragesorgen begrenzen das Preispotenzial

    Der Ölpreis steht nun bereits seit einem Jahr unter Druck und hat in diesem Zeitraum knapp 40 % verloren. Angebotskürzungen seitens der OPEC+ haben dabei kaum einen Effekt, da Nachfragesorgen im Vordergrund stehen. In der BTV rechnen wir im 2. Halbjahr mit einer weiter abnehmenden Nachfrage aufgrund der globalen Wirtschaftsabschwächung. Zudem blieb der erhoffte Aufschwung von Chinas Wirtschaft, dem nach den USA weltweit zweitgrößten Ölnachfrager, bisher aus. Einige OPEC+-Länder, allen voran der größte Produzent Saudi-Arabien, haben sich dennoch zu weiteren Angebotskürzungen entschlossen, um den Ölpreis zu stützen.

  • Ölpreis als maßgeblicher Inflationstreiber

    Im globalen Kampf gegen die Inflation sind die ölfördernden Länder aber die Verlierer, wobei einem in diesem Zusammenhang das Sprichwort „Wer Wind sät, wird Sturm ernten“ in den Sinn kommen mag. Denn bereits vor Ausbruch des Krieges in der Ukraine, der zu einem sprunghaften Anstieg des Ölpreises führte, waren massive Preissteigerungen zu beobachten (siehe Grafik). Und das kam daher, dass die Nachfrage nach Ausbruch des Coronavirus schnell wieder angestiegen ist, die OPEC+ aber weiterhin die Produktion gekürzt hielt. Aus diesem Grund haben die größten ölfördernden Länder einen nicht unerheblichen Beitrag dazu geleistet, die Inflation in die Höhe zu treiben. Infolge der drastischen Zinserhöhungen der Notenbanken und der global abnehmenden Wirtschaftsdynamik hat auch die Ölnachfrage nachgelassen – worunter diese Länder nun zu leiden haben, da es ihre Einnahmen schmälert.

     

    Nachfragerückgang durch Kaufkraftverlust drückt auf Erdölpreis 

    Quelle: Bloomberg; Stand 09.06.2023.

  • Rohstoffexporteure haben langfristig das Nachsehen

    Folgt man allerdings der Prebisch-Singer-These, haben ölfördernde Länder nicht nur im aktuellen Umfeld zu kämpfen, sondern vor allem langfristig das Nachsehen. Diese These unterscheidet nämlich zwischen Industriestaaten, die hauptsächlich industriell gefertigte Erzeugnisse wie z. B. Kraftfahrzeuge, Maschinen oder Computer herstellen, und Entwicklungsländern, deren Wirtschaft zum Großteil aus der Produktion von Primärgütern wie z. B. Rohstoffen besteht. Diese beiden Wirtschaftsräume betreiben Arbeitsteilung und handeln miteinander, wovon alle profitieren sollen. Nach dem Ricardo-Modell ist dies der Fall, wenn jedes Land mit den Waren handelt, bei denen es einen komparativen Kostenvorteil gegenüber anderen Ländern besitzt. Die Untersuchungen von Prebisch und Singer führen jedoch zu dem Ergebnis, dass nicht beide Seiten vom Außenhandel profitieren.

  • Rohstoffe werden ggü. Industriegütern günstiger

    Entwicklungsländer haben gegenüber ihren Handelspartnern das Nachsehen, weil langfristig die Preise von Primärgütern wie Rohstoffen relativ zu den Preisen von industriell gefertigten Gütern sinken. Also egal, wie stark die Produzenten- und Rohstoffpreise steigen, die Preise von Endprodukten steigen langfristig stärker – auch wenn kurzfristig natürlich starke Preisausschläge bei Rohstoffen wie beispielsweise 2020 möglich sind. Im historischen Vergleich sind Rohstoffpreise aktuell hoch, können mit der globalen Inflation und der Preissteigerung von Industriegütern aber nicht mithalten, was das nachfolgende Beispiel verdeutlicht.

  • Vom Entwicklungsland zum Industriestaat

    Auf der Website des IKEA Museums sind alte Kataloge abrufbar, was es möglich macht, den Preis eines Standard-Billy-Regals über Jahrzehnte zurückzuverfolgen. Und dieser Preis lässt sich in Barrel Öl umrechnen. Nun war es so, dass man zwischen 2010 und 2015 im Schnitt zwei Billy-Regale zum Preis von einem Barrel Öl kaufen hätte können. Heutzutage bekommt man hingegen nicht mal mehr eines – und das nicht nur, weil der Ölpreis im letzten Jahr um über 48 % gefallen ist, sondern weil die Kaufkraft von rohstoffexportierenden Ländern gesunken ist. Ein Barrel Öl, das heute 75 USD kostet, hat dieselbe Kaufkraft wie ein Barrel zu 55 USD vor zehn Jahren. Damals lag der Preis eines Barrels allerdings bei 100 USD, weshalb sich ölexportierende Länder in einer sehr komfortablen Position befanden. Länder wie die Mitglieder der OPEC+ importieren nämlich die meisten Industriegüter, weshalb sie aktuell besonders unter der hohen Inflation und dem Kaufkraftverlust leiden. Es ist also nachvollziehbar, dass durch Angebotskürzungen versucht wird, den Preis wieder in die Höhe zu treiben. Langfristig muss es aber – zumindest laut Prebisch und Singer – das Ziel eines jeden Entwicklungslandes sein, den Weg hin zu einem Industriestaat zu schaffen. Vor allem die Mitglieder der OPEC+ sollten dafür einen besonderen Anreiz haben, da die Nachfrage nach fossilen Energierohstoffen wie Öl im Zuge der Energiewende langfristig stark zurückgehen wird.

     

    OPEC bleibt ein starkes Bündnis aus erdölfördernden Ländern 

    Quelle: Bloomberg; Stand 09.06.2023.

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